In diesem Blog erklären wir dir das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung und sagen dir, wie du es sinnvoll in deinem Training anwendest.
Prinzip der progressiven Belastungssteigerung
Ob Muskelaufbau, Kraftaufbau oder andere sportliche Fähigkeiten – Verbesserungen der Leistungsfähigkeit im Allgemeinen sind nur möglich, wenn spezifische Trainingsreize langfristig und stetig gesteigert werden. Man spricht hier vom Prinzip der progressiven Belastungssteigerung.
Anwendung im CrossFit
Da Krafttraining eine zentrale Rolle im CrossFit-Sport einnimmt, werden wir das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung anhand von Beispielen im Krafttraining besprechen.
Generell ist es wichtig zu verstehen, dass sich der menschliche Organismus stets der Außenwelt und den Reizen, die auf den Körper wirken, anpassen möchte. Dies geschieht, um das innere Gleichgewicht im Körper und somit alle Körperfunktionen aufrechterhalten zu können.
Durch einen ungewohnt hohen Trainingsreiz (überschwelliger Trainingsreiz) kommt es beim Krafttraining zu hoher mechanischer Spannung (1), die zu kleinen Verletzungen in der Muskulatur und den Faszien führen kann. Um diesem Reiz beim nächsten Training besser standhalten zu können, reagieren die betroffenen Muskelzellen mit Proteinsynthese, wodurch es – unter den richtigen Bedingungen – zu einem Aufbau von Muskelmasse kommt.
Und täglich grüßt der Muskelreiz – fast…
Sobald ein überschwelliger Trainingsreiz gesetzt wurde, ist der Organismus bestrebt, sich zu regenerieren und in weiterer Folge sein ursprüngliches Leistungsniveau anzupassen. Nun ist ein erneuter überschwelliger Trainingsreiz notwendig, um weitere Anpassungen im Körper auszulösen.
Klingt einfach – ist es aber nicht. Gerade für Fortgeschrittene und speziell für sehr erfahrene Kraftsportler ist es schwer, diese Prinzipien langfristig umzusetzen. Denn oft ist es nicht mehr möglich, den Trainingsreiz von Einheit zu Einheit zu erhöhen. Leistungsplateaus sind nach den sogenannten „Noobie– Gains“ keine Seltenheit.
Was sind „Noobie-Gains“?
Gerade Anfänger sind in der Lage, die Gewichte im Krafttraining von Einheit zu Einheit zu steigern, ohne die Wiederholungszahl, die Anzahl der Sätze oder die Übungen zu variieren. Auch das Trainingsvolumen kann bei Anfängern und leicht Fortgeschritten relativ gering ausfallen. Salopp gesagt: mit relativ wenig Aufwand kann viel erreicht werden (2).
Am Anfang finden sehr rasch Verbesserungen der Technik und der neuronalen Adaptationen (verbesserte muskuläre Koordination) statt. So kann im Krafttraining schnell an Kraft gewonnen werden, ohne dabei ein Übermaß an Ermüdung anzuhäufen.
Ähnliches gilt auch für die Muskulatur – Anfänger bauen in den ersten Monaten oft sehr schnell Muskelmasse auf, da der Körper auf den neuen Kraftreiz sehr sensibel reagiert. Dieses „Phänomen“ nennt man „Noobie-Gains“.
Achtung vor Übermut
Aber Achtung: Auch wenn es theoretisch möglich wäre, größere Gewichtssprünge vorzunehmen, sollte dies mit Bedacht erfolgen. Die Sprünge sollten nicht zu groß ausfallen, um Verletzungen und Überlastungen zu vermeiden.
Irgendwann kommt dann auch der Anfänger an den Punkt, an dem dieses System an seine Grenzen stößt.
Prinzip der progressiven Leistungssteigerung für Fortgeschrittene und Profis
Um das Prinzip der progressiven Leistungssteigerung für den Fortgeschrittenen und sehr erfahrenen Sportler zu erfüllen, muss die Trainingsplanung an das jeweilige Leistungsniveau angepasst werden:
Für langfristigen Leistungsaufbau im Krafttraining ist entscheidend, dass die absolute Trainingsintensität (Trainingsgewichte) sowie das Trainingsvolumen (Sets x Reps x Weight) über Wochen, Monate und Jahre langsam zunehmen.
Eine noch wesentlichere Rolle für das System spielt jedoch die Trainingsintensität. Diese ist für die Kraftsteigerung wichtiger als das Trainingsvolumen (2).
Genau umgekehrt ist es beim Hypertrophietraining, da hier das Trainingsvolumen eine höhere Bedeutung als die Trainingsintensität hat (3).
Leistungssteigerung im Hypertrophietraining
Gehen wir davon aus, dass unser Ziel Hypertrophie ist. Das bedeutet, dass wir uns hauptsächlich in einem Wiederholungsbereich von etwa 5-30 WH (4) bewegen.
Für dieses Beispiel grenzen wir die Wiederholungsanzahl noch etwas stärker ein, und gehen davon aus, dass wir in dem derzeitigen Trainingszyklus in einen Bereich von 10-15 WH trainieren möchten.
Generell werden bei der progressiven Belastungssteigerung im Krafttraining die folgenden 3 Methoden angewendet die sehr häufig miteinander kombiniert werden.
Progressive Belastungssteigerung – Gewichtssteigerung
Entscheidend ist hier eine relativ langsame Gewichtssteigerung von etwa 1-2,5% von Einheit zu Einheit oder von Woche zu Woche, um dem Körper genug Zeit zu geben, sich anpassen zu können.
Woche 1:
- Tag A: 3 x 10 @ 70kg
- Tag B: 3 x 10 @ 70kg
Woche 2:
- Tag A: 3 x 10 @ 72kg
- Tag B: 3 x 10 @ 72kg
Woche 3:
- Tag A: 3 x 10 @ 74kg
- Tag B: 3 x 10 @ 74kg
Progressive Belastungssteigerung – Steigerung über die Wiederholungszahl
Eine weitere Möglichkeit, überschwellige Trainingsreize zu setzen, ist die Progression über die Wiederholungszahl. In diesem Beispiel ist der Wiederholungsbereich auf 10–15 festgesetzt. Sobald die obere Grenze erreicht ist, wird das Gewicht um 1-2,5% gesteigert und erneut versucht, die Wiederholungszahl von Einheit zu Einheit zu steigern – bis 15 Wiederholungen geschafft werden.
Woche 1:
- Tag A: 3 x 10 @ 70kg
- Tag B: 3 x 12 @ 70kg
Woche 2:
- Tag A: 3 x 14 @ 70kg
- Tag B: 3 x 15 @ 70kg
Woche 3:
- Tag A: 3 x 11 @ 72kg
- Tag B: 3 x 13 @ 72kg
Auch hier kommt es zu einer Steigerung des Trainingsvolumens, einerseits in Folge der gesteigerten Wiederholungszahl, andererseits über die Steigerung des Arbeitsgewichts.
Progressive Belastungssteigerung – Steigerung über die Satzzahl
Obwohl das Arbeitsgewicht und die Wiederholungszahl konstant bleiben kommt es auch durch die Zunahme der Satzzahl hier zu einer Steigerung des Trainingsvolumens
Woche 1:
- Tag A: 3 x 10 @ 70kg
- Tag B: 4 x 10 @ 70kg
Woche 2:
- Tag A: 4 x 10 @ 70kg
- Tag B: 4 x 10 @ 70kg
Woche 3:
- Tag A: 4 x 10 @ 70kg
- Tag B: 5 x 10 @ 70kg
Dies sind die 3 gängigsten Methoden um Progressive Belastungssteuerung im Krafttraining zu steuern. Diese werden häufig kombiniert, um auch wirklich das Maximum rauszuholen.
Jeder dieser Methoden kann richtig eingesetzt zu längerfristigen Leistungssteigerungen führen.
Der Körper reagiert mit folgenden Adaptationen (Anpassungen) auf die gesetzten Trainingsreize:
- Neuronale Adaptation (Rekrutierung, Frequentierung, erhöhte Aktivierung)
- Muskuläre Adaptation (Hypertrophie)
Neuronale Adapatationen
Diese Anpassungen des zentralen (Gehirn + Rückenmark) und peripheren (versorgende und empfindende Nervenbahnen im Körper) Nervensystems sind vor allem in den ersten Wochen und Monaten nach Beginn eines Krafttrainings für die rapiden Steigerungen der Muskelkraft verantwortlich.
Hypertrophie
Hypertrophie ist das vorwiegende Dickenwachstum von Muskelfasern, welches durch den Einbau von Aminosäuren (Bestandteile von Proteinen) zustande kommt. Obwohl eine gesteigerte Proteinsynthese (Aufbau von Muskelprotein durch Aminosäuren) bereits nach einer Krafttrainingseinheit beobachtet werden kann, wird diese erst nach einigen Wochen regelmäßigen Krafttrainings im Sinne einer Zunahme von Muskelmasse sichtbar/ messbar.
Vor allem, wenn es um Muskelaufbau geht, ist hervorzuheben, dass nicht nur eine Zunahme des Arbeitsgewichts, sondern prinzipiell auch eine Steigerung des Gesamtvolumens (Gewicht x Sets x Wiederholungen) zu einem überschwelligen Trainingsreiz führt. Eine Steigerung von 3 x 10 @ 70 kg (Gesamtvolumen = 2100 kg) auf 4 x 10 @ 70 kg (Gesamtvolumen = 2800 kg) wie in unserem Beispiel oben stellt eine ungewohnt hohe Beanspruchung dar und löst somit neuronale und muskuläre Anpassungen aus.
Wird jedoch zu schnell gesteigert – oder in zu großen Schritten – wird sich dein Körper nicht schnell genug anpassen können und früher oder später nicht ausreichend regenerieren können. Bei solch einem Trainingsansatz steigt das Risiko von Überlastungserscheinungen und Verletzungen. Dadurch steigt die Chance ungeplanter Trainingspausen, wodurch wertvolle Trainingszeit verloren geht.
Progressive Belastungssteigerung – Übermäßig schnelle Steigerung des Arbeitsgewicht
Woche 1:
- Tag A: 3 x 15 @ 70kg
- Tag B: 3 x 12 @ 75kg
Woche 2:
- Tag A: 1 x 10 @ 80kg; 1 x 7 @ 80kg; 1 x 5 @ 80kg
- Tag B: 1 x 7 @ 80kg; 1 x 4 @ 80kg; Abbruch
Woche 3:
- Tag A: Pause
- Tag B: 3 x 10 @ 70kg
Dies ist ein relativ extremes Beispiel, veranschaulicht das Prinzip aber sehr gut. Einer zu raschen Gewichtssteigerung folgt ein deutlicher Leistungsabfall. Auch wenn solche Prozesse oft mehrere Wochen dauern, passiert es in der Praxis doch sehr häufig, dass Trainingsgewichte oder Trainingsvolumen schneller gesteigert werden, als sich der Körper daran anpassen kann.
Das heißt: Der Körper wird sich nicht wie gewünscht anpassen, vor allem wenn man sich dabei verletzt. In diesem Fall passt sich der Organismus nämlich der neuen unterschwelligen Beanspruchung an (Schonhaltung/ Trainingspause), wodurch Kraft, Muskelmasse und wertvolle Trainingszeit verloren gehen.
Wird weder das Trainingsvolumen noch die Trainingsintensität gesteigert, spricht man von einem erhaltenden Reiz. Dieser Reiz reicht zwar aus, um deine Kraft und Muskelmasse zu erhalten, wird jedoch nicht zu einer Steigerung führen.
Fehlender Überschwelliger Reiz (erhaltender Reiz)
Sowohl Trainingsvolumen als Trainingsintensität bleiben gleich, oder werden nicht gesteigert.
Woche 1:
- Tag A: 3 x 10 @ 70kg
- Tag B: 3 x 10 @ 70kg
Woche 2:
- Tag A: 3 x 10 @ 70kg
- Tag B: 3 x 10 @ 70kg
Woche 3:
- Tag A: 3 x 10 @ 70kg
- Tag B: 3 x 10 @ 70kg
Fazit & Ausblick
Jetzt, wo du weißt, wieso progressive Leistungssteigerung notwendig ist – nämlich, um langfristige Erfolge im Training zu erzielen – werden wir uns in den kommenden Artikeln besprechen, in welchem zeitlichen Abstand die besprochenen überschwelligen Trainingsreize gesetzt werden sollten.
Weitere Artikel aus der Reihe „Trainingsplanung“
- Teil 1: Trainingsplanung CrossFit – darauf ist zu achten
- Teil 2: Prinzip der progressiven Belastungssteigerung
- Teil 3: Das Prinzip der Superkompensation
- Teil 4: Prinzip des langfristigen Belastungsmanagements
- Teil 5: Prinzip der Variation – so variierst du deine Workouts richtig
- Teil 6: Prinzip der Periodisierung und Zyklisierung im CrossFit
Über Michael Bürger
Co-Autor: Michael Bürger
Michael Bürger ist Sportwissenschaftler mit Leib und Seele. Als solcher ist es ihm besonders wichtig, seinen Kund_Innen nicht nur die höchstmögliche Qualität an Training zu bieten, sondern auch sein Wissen im Bereich Training und Ernährung weiterzugeben.
Berufliche Erfahrung
- 2015-2023
Selbstständiger Personaltrainer und Online Coach - 2018-2023
Vortragender im Auftrag der BSPA Fortbildungsakademie & EinsACoaching - 2011 – 2023
CrossFit Coach @ CrossZone Wien
Ausbildungen:
- MSc. Sportwissenschaft
- BSc Sportwissenschaft
- ESP – Sportphysiotherapie
- NSCA – CSCS Strength and Conditioning Specialist
- SPORTS NUTRITION ASSOCIATION: Certificate in Applied Sports Nutrition
Kontakt:
- Homepage: https://michaelbuerger.training/
- Email: hallo@michaelbuerger.training
- Instagram: michaelbuerger.training
Literatur Tipps:
- Science and Practice of Strength Training (Zatsiorsky/ Kreamer)
- Principles and Practice of Resistance Training 1st Edition ( Stone)
- Scientific Principles of Strengh Training (Israetel, Hoffman, Smith)
- Essentials of Strength Training and Conditioning – 3rd Edition
- The Muscle & Strength Pyramid – Training (Helms, Valdez, Morgan)
Literatur:
1) Schoenfeld, B. J. (2010). The mechanisms of muscle hypertrophy and their application to resistance training. The Journal of Strength & Conditioning Research, 24(10), 2857-2872. 2) Ralston, G. W., Kilgore, L., Wyatt, F. B., & Baker, J. S. (2017). The effect of weekly set volume on strength gain: a meta-analysis. Sports Medicine, 47(12), 2585-2601. 3) Schoenfeld, B. J., Ogborn, D., & Krieger, J. W. (2017). Dose-response relationship between weekly resistance training volume and increases in muscle mass: A systematic review and meta-analysis. Journal of sports sciences, 35(11), 1073-1082. (4) Schoenfeld, B. J., Grgic, J., Ogborn, D., & Krieger, J. W. (2017). Strength and hypertrophy adaptations between low-vs. high-load resistance training: a systematic review and meta-analysis. The Journal of Strength & Conditioning Research, 31(12), 3508-3523.