Um langfristige Leistungssteigerungen zu erzielen, ist es unter Berücksichtigung der bisher besprochenen Grundprinzipien der Trainingsplanung notwendig Trainingsreize variabel zu gestalten. Änderungen der Übungsauswahl, der Trainingsintensität oder der Trainingsmodalität haben einen sehr hohen Stellenwert in der Trainingswissenschaft, wodurch Variation ein eigenständiges Grundprinzip der Trainingsplanung darstellt.
Man Spricht hier von dem Prinzip der Variation
Zur Erinnerung: Wenn du unsere bisherigen Beiträge noch nicht gelesen hast, legen wir sie dir wärmstens ans Herz – und an den Bizeps.
- Trainingsplanung im CrossFit – Teil 1
- Prinzip der progressiven Belastungssteigerung – Teil 2
- Prinzip der Superkompensation – Teil 3
- Prinzip des langfristigen Belastungsmanagements
Warum du dein Training variieren solltest
Das Prinzip der Variation dient zur Manipulation von Trainingsvariablen, um Verletzungen zu vermeiden und zur langfristigen Optimierung von Adaptationsprozessen durch Training.
Auch in der CrossFit-Welt hat Variation einen sehr hohen Stellenwert und wird sogar in seiner Definition genannt:„CrossFit is constantly varied functional movements performend at high intensity“
Aus Sicht der Trainingswissenschaften ist jedoch zu beachten, dass sich nicht nur ein zu geringer, sondern auch ein zu hoher Grad an Variation negativ auf die langfristige Leistungssteigerung auswirken kann. „Constantly varied“ ist demnach nicht optimal und wird in der Praxis von CrossFit Athleten auch so nicht angewendet.
Was sind die Vorteile von Variation?
1.) Verletzungsprophylaxe
Durch Variation im Training kann das Risiko, passive Strukturen zu überlasten, stark reduziert werden. Monotone Übungsauswahl, gepaart mit hoher Intensität und hohem Trainingsvolumen, führen häufig zu Abnutzungserscheinungen und Verletzungen.
Verfolgt ein Athlet das Ziel, seine Maximalkraft beim „High Bar Squat“ zu verbessern, muss diese Übung logischerweise ein wichtiger Bestandteil seines Trainings sein. Monate lang, wöchentlich, 4 mal pro Woche schwere „High Bar Squats“ durchzuführen, wäre für seine Knie jedoch höchstwahrscheinlich nicht optimal. Durch regelmäßige Variation der Trainingsintensität, Standbreite, Stangenposition, der Trainingsfrequenz und des Trainingsvolumens kann die Wahrscheinlichkeit für Überlastungen stark reduziert werden und der langfristige Leistungsaufbau verbessert werden.
2.) Schwächen Trainieren
Prinzipiell geht es im Training immer darum, auf ein spezifisches Ziel hin zu trainieren. Wenn wir davon ausgehen, dass das Ziel unseres Athleten ist, seine Kniebeugen-Leistung zu steigern, dann wäre die Kniebeuge selbst das „spezifischste Mittel“, um diese zu verbessern.
Um die Kniebeuge zu meistern, ist es natürlich wichtig, diese Phasenweise ausgiebig zu trainieren. In den meisten Fällen sind jedoch auch andere Übungen notwendig, um verhältnismäßig schwache Muskelgruppen aufzubauen. Übungen wie „Low Bar Squats“, „Safetey Bar Squats“ , Lunges, oder Hamstringcurls können dazu eingesetzt werden, muskuläre Schwächen zu trainieren und somit langfristig das spezifische Leistungsziel zu unterstützen.
Der „High Bar Squat“ sollte Phasenweise abwechselnd mit höherer und niedriger Frequenz trainiert werden und ab und zu komplett durch andere Übungsvariationen ausgetauscht werden. Phasen in denen die Zielübung wenig bis gar nicht trainiert wird, führen langfristig zu einer Leistungssteigerung. Denn genau in dieser Zeit werden Voraussetzungen für nachfolgende Trainingsphasen gesetzt.
3.) Schwerpunkte setzen
Anpassungsprozesse im Körper verlangsamen sich mit fortschreitendem Trainingsniveau. Zuwächse an Ausdauer, Kraft und Muskelmasse sind in den ersten Monaten wesentlich stärker ausgeprägt als nach mehreren Jahren gut organisiertem Training. Die Luft nach Oben wird sozusagen immer dünner, wie die folgende Grafik zeigt.
Das bedeutet: mit steigendem Trainingslevel steigt auch der Mehraufwand für Leistungssteigerungen stark an. Anders als bei Anfängern ist es also nicht mehr möglich, sich überall gleichzeitig zu verbessern, ohne Trainingschwerpunkte zu setzen. Vor allem in Sportarten wie CrossFit, bei denen eine Vielzahl an sportlichen Fähigkeiten (Kraft, Schnellkraft, Ausdauer, Technik) ausgebildet werden müssen, ist es für Fortgeschrittene notwendig, Phasenweise Schwerpunkte zu setzen.
Trainingszyklen, die sich abwechseln und darauf ausgelegt sind, einzelne Fähigkeiten besonders zu verbessern, wobei andere Fähigkeiten möglichst auf dem gleichen Level bleiben sollen, machen es auch für fortgeschrittene Athleten möglich, Ihre Leistung langfristig optimal zu steigern. Geplante, auf die Wettkampfsaison ausgerichtete Variation der Trainingsschwerpunktsetzung, mit dem Hintergedanken die Leistungsfähigkeit in der Zielsportart CrossFit zu verbessern, ist eine wichtige Anwendung des Prinzip der Variation.
4.) Motivation
Auch aus psychologischen Gründen ist Variation wichtig und notwendig. Wird das Training zu monoton gestaltet, ist es sehr wahrscheinlich, dass Athleten die Lust am Training verlieren. Dieser Faktor erscheint sehr trivial, kann aber einen großen Effekt auf die Motivation von Athleten haben. Motivation ist notwendig, um Handlungen langfristig und konsequent aufrecht zu erhalten. Demnach sollte Variation in der Trainingsplanung unter Berücksichtigung der Spezifität in einem sinnvollen Ausmaß angewendet werden.
Das Problem von übermäßiger Variation
Wird Variation übermäßig eingesetzt, kann sich der Körper auf gewisse Reize nicht optimal einstellen, und die gewünschten physiologischen Anpassungen werden bei weitem nicht ausgeschöpft. Wichtig zu beachten ist, dass alle bisherigen Prinzipien in der Hierarchie über dem Prinzip der Variation stehen. Das bedeutet, dass diese immer berücksichtigt werden sollten. Übermäßige Variation steht beispielsweise im Gegensatz zum Prinzip der Spezifität und dem Prinzip der progressiven Belastungssteigerung. Gerade im Bereich CrossFit ist dies einer der gröbsten Fehler in der Trainingsplanung.
Folgende Punkte werden durch übermäßige Anwendung des Prinzips der Variation negativ beeinflusst:
- Physiologische Adaptationen sind ab einem höheren Trainingslevel nicht oder nur noch eingeschränkt möglich, da die notwendige Schwerpunktsetzung auf einzelne Bereiche fehlt.
- Vergleichbarkeit und Messbarkeit im Training ist schwer möglich, da Übungen und Trainingsmethoden ständig geändert werden.
- Progressive Belastungssteigerung ist schwer nachvollziehbar.
- Erschwert das Erlernen spezieller Techniken und Ausführungen, da durch eine hohe Variation von Übungen weniger Übungszeit für einzelne Techniken besteht.
- Häufige Muskelkater, die durch ständige, ungewohnte Trainingsreize hervorgerufen werden.
Richtige Anwendung vom Prinzip der Variation im Bereich CrossFit
Die Komplexität des Sports CrossFit lässt die Anwendung dieses Prinzips zuerst fast unmöglich erscheinen. Jedoch ist es sehr wohl möglich, alle bisher besprochenen Punkte unter einen Hut zu bringen.
Prinzipiell ist es in der Trainingsplanung immer wichtig, ein Grundgerüst zu erstellen, das auf einem gewissen Schema aufgebaut ist. Dies vereinfacht nicht nur die Trainingsplanung, sondern ermöglich auch die Dokumentation von Trainingsergebnissen. Ist das Ziel in einer Trainingsphase Kraft aufzubauen, wird Krafttraining ein fixer Bestandteil der Trainingswoche ausmachen. Diese Kraftrainingseinheiten sollten zwei bis drei Mal pro Woche an fixen Trainingstagen stattfinden und über einige Wochen hinweg hinsichtlich Arbeitsgewicht oder Trainingsvolumen gesteigert werden. In der Trainingswissenschaft werden solche Trainingsphasen Mesozyklen genannt, die in der Regel 4-6 Wochen lang dauern. Folgen zwei Mesozyklen mit demselben Ziel aufeinander, werden häufig einige Übungen leicht abgeändert oder ausgetauscht, um das Prinzip der Variation optimal anzuwenden.
Neben dem Krafttraining muss natürlich auch „CrossFit“ trainiert werden. Diese Einheiten sollten wenn möglich ebenso je nach Trainingsphase einen gewisses Schwerpunktziel verfolgen. Hier kann jedoch im Gegensatz zum Krafttraining wesentlich mehr Übungsvariation erfolgen. Solange es sich nicht um die unmittelbare Wettkampfvorbereitung handelt, sollten Workouts mit maximaler Intensität nur sehr sparsam eingesetzt werden, da ausreichende Energie zur Regeneration für andere Aspekte (Krafttraining in einer Kraftaufbauphase) im Training notwendig ist. CrossFit-Workouts können beispielsweise während einer Kraftphase dazu verwendet werden, den „Workflow“, Skills und die Ausdauerfähigkeit zu verbessern. Workouts können hier so geplant werden, dass Übungskombinationen gefunden werden, die das konstante Bewegen nicht unterbrechen aber gleichzeitig das Festigen von Skills unterstützen.
Vor allem macht es beim Skill-lernen Sinn, Übungen über einen längeren Zeitraum regelmäßig einzubauen, um ausreichend Übungszeit zu ermöglichen. Setzt man neben dem Schwerpunkt Krafttraining zusätzlich das Ziel, den Ring Muscle up zu verbessern, dann können separate Skilltrainings – aber auch CrossFit Workouts dazu verwendet werden – diesen Skill zu verbessern. Um gleichzeitig den Workflow eines Workouts nicht zu unterbrechen, muss die Widerholungsanzahl der Ring Muscle ups gut mit den anderen Übungen abgestimmt sein. Hier ein Beispielworkout für einen Athleten, der im ausgeruhten Zustand 9 Ring Muscle ups schafft.
Beispiel:
6 Rounds:
- 500m concept 2 bike
- 3 Muscle ups
- 12 Burpee boxjumps
Muscle ups sollten in diesem Widerholungsbereich und in dieser Konstellation kein großes Problem darstellen, solange das Tempo bei den anderen beiden Übungen gut gewählt ist. Ausdauertraining, Workflowtraining und Techniktraining unter Belastung werden damit unter einen Hut gebracht. Die Konstanten wären hier der Ring Muscle up und der Fokus auf Workflow. Variation kann mittels der Übungsauswahl und der Workoutmodalität, der Intensität und der Workoutdauer eingebaut werden.
CrossFit Trainingsplan inkl. Variation
Das Grundgerüst für eine Trainingswoche könnte bei einem fortgeschrittenen CrossFitt – Athleten also folgendermaßen aussehen.
- Ziel Nr.1: Kraftsteigerung
- Ziel Nr.2: Workflow verbessern und Ausdauer erhalten
- Ziel Nr.2: Ring MU verbessern ( max reps 9 Ring Muscle ups )
Aufteilung der einzelnen Einheiten
- 2 x Einheiten Krafttraining (Ziel Progressive Belastungssteigerung)
- 2 x CrossFit-Einheiten mit Focus auf Ring Muscle ups & Workflow (Intensität 70-80%)
- 2 x Crossfit-Einheiten (Intensität 70-100%)
- 1 x Endurance-Einheiten (Konstantes Tempo)
- 1 x Weightlfting-Einheiten (Fokus auf Technik 60-80% 1RM)
Beispiel Trainingsplan
Die Variation innerhalb der Krafteinheiten von Woche zu Woche ist relativ gering. Die Übungen werden während des Mesozyklus nicht verändert. Leichte Anpassungen beim Arbeitsgewicht und der Widerholungs- oder Satzzahl werden jedoch sehr wohl vorgenommen. Das Gleiche gilt für Weightlifting. Jedoch liegt der Schwerpunt hier mehr auf der Verbesserung der Technik als der Steigerung des Arbeitsgewichts.
Ring Muscle ups sind fester Bestandteil der Trainingswoche und können in einem fordernden aber machbaren Ausmaß, in Workouts eingeplant werden.
Variation kann in CrossFit Workouts prinzipiell beliebig angewendet werden, solange andere Trainingseinheiten dadurch nicht negativ beeinflusst werden. Beispielsweise, wenn in der CrossFit-Session am Montag 100 Pullups vorkommen und am nächsten Tag Ring Muscle Ups trainiert werden.
Die Belastungsfähigkeit des Zugapparats und der Unterarme wäre vermutlich stark eingeschränkt. Die Auswirkung von Übungen, Wiederholungsanzahl und der Trainingsintensität hat Auswirkungen auf die gesamte Trainingswoche. Bei der Planung sollte demnach immer die gesamte Trainingswoche als ein Ganzes betrachtet werden und Variation in diesem Rahmen sinnvoll angewendet werden.
Wesentliche Punkte zusammengefasst:
- Variation dient der Verletzungsprophylaxe und dem langfristigen Leistungsaufbau
- Variation bringt Abwechslung ins Training und wirkt motivierend
- Variation kann eingesetzt werden um Schwächen zu trainieren und Schwerpunkte zu setzen
- Übermäßige Anwendung von Variation erschwert progressive Belastungsseigerung
- Das Prinzip der Variation sollte immer unter Berücksichtigung der übergeordneten Trainingsprinzipien angewandt werden
Weitere Artikel aus der Reihe „Trainingsplanung“
- Teil 1: Trainingsplanung CrossFit – darauf ist zu achten
- Teil 2: Prinzip der progressiven Belastungssteigerung
- Teil 3: Das Prinzip der Superkompensation
- Teil 4: Prinzip des langfristigen Belastungsmanagements
- Teil 5: Prinzip der Variation – so variierst du deine Workouts richtig
- Teil 6: Prinzip der Periodisierung und Zyklisierung im CrossFit
Über Michael Bürger
Co-Autor: Michael Bürger
Michael Bürger ist Sportwissenschaftler mit Leib und Seele. Als solcher ist es ihm besonders wichtig, seinen Kund_Innen nicht nur die höchstmögliche Qualität an Training zu bieten, sondern auch sein Wissen im Bereich Training und Ernährung weiterzugeben.
Berufliche Erfahrung
- 2015-2023
Selbstständiger Personaltrainer und Online Coach - 2018-2023
Vortragender im Auftrag der BSPA Fortbildungsakademie & EinsACoaching - 2011 – 2023
CrossFit Coach @ CrossZone Wien
Ausbildungen:
- MSc. Sportwissenschaft
- BSc Sportwissenschaft
- ESP – Sportphysiotherapie
- NSCA – CSCS Strength and Conditioning Specialist
- SPORTS NUTRITION ASSOCIATION: Certificate in Applied Sports Nutrition
Kontakt:
- Homepage: https://michaelbuerger.training/
- Email: hallo@michaelbuerger.training
- Instagram: michaelbuerger.training
Literatur Tipps:
- Science and Practice of Strength Training (Zatsiorsky/ Kreamer)
- Principles and Practice of Resistance Training 1st Edition ( Stone)
- Scientific Principles of Strengh Training (Israetel, Hoffman, Smith)
- Essentials of Strength Training and Conditioning – 3rd Edition
- The Muscle & Strength Pyramid – Training (Helms, Valdez, Morgan)